Provisorische Homepage der
Anti-EXPO-AG Hannover


Hallo,
um unsere alten Texte zur Kritik an der Antifa-AG an der Uni Hannover aus aktuellem Anlass wieder allgemein zugänglich zu machen, haben wir unsere Homepage mal reaktiviert, damit niemand darauf angewiesen ist, der "Sekundärliteratur" entnehmen zu müssen, was wir angeblich alles so verzapft hätten. Wer sich zufällig hierher verirrt hat, sollte sich nicht wundern. Es handelt sich nicht um einen kompletten Internetauftritt.




Achtung! Den folgenden Text "'Opas Kalaschnikow' ???" bitte nur im Zusammenhang lesen mit dem weiteren Text "Wer gegen wen?" (s.u.), in dem wir – auf Grund von Kritik an unserem Text – versucht haben, Teile der Kritik zu präzisieren und einige selbstkritische Anmerkungen gemacht haben.


das fragezeichen 10, Oktober 2002

"Opas Kalaschnikow" ???

Juden mit Rattenschwänzen (oder auch Mäuseschwänzen, wie die Antifa-Ag versichert), die in ihren Löchern im Untergrund hocken, das "historische Palästina" zerfressen und unterwühlen, dabei schwerbewaffnet ohnmächtigen Zivilisten gegenüberstehen und zynische Sprüche ablassen?!

Dies ist eine Replik auf einen Text (">Solidarität mit Israel< bedeutet das Ende linker Politik!" (sic!)) der "Antifa-AG der Uni Hannover", den diese im "Fragezeichen" (Fußnote 1) sowie vorab –mit der oben charakterisierten Karikatur bebildert – als Flugblatt veröffentlichte. Sie hatte mit dieser Polemik auf einen Artikel der Fachschaft Sozialwissenschaften/Geschichte in deren Zeitung "vorläufiges FAZIT" (Fußnote 2) reagiert, in dem sich die Fachschaft kritisch mit der "Palästina-Solidarität", v.a. von "Linksruck" auseinandersetzte.

Wir werden in dieser Antwort keine Stellungnahme zu dem "Nahost-Konflikt" selbst abgeben. Uns interessieren hier weniger die realen Vorgänge, auch nicht die berechtigten Aspekte der Kritik an der israelischen Militär- und Siedlungspolitik, als vielmehr die geschichtsrevisionistischen und in der Tat antisemitischen Wahrnehmungsmuster durch die diese Kritik in Teilen der deutschen "Linken" formuliert wird und die idealtypisch auch in dem genannten Text an die Oberfläche brechen.

Deren unreflektierte Verwendung verurteilen wir entschieden. Laut Antifa-AG ist eine solche Kritik, wie sie auch in dem Text der Fachschaft geübt wird: "unverschämt, heuchlerisch und von extrem dürftigem intellektuellen Niveau", "schlicht reaktionär", "stockbürgerlich", "das Geschäft der neuen Rechten betreibend" sowie "moralisierend" und "sich selbst geißelnd" – nun, es ist doch schon mal spannend zu sehen, welch intensive Abwehr-Affekte sie mobilisiert.

Zentrales Anliegen der Antifa-AG ist das Zurückweisen der "Kollektivschuld-These" (ein deutscher Reflex seit Ende des Krieges), worunter sie schon die banale Feststellung, daß die "überwiegende Mehrheit der Deutschen" für den NS mitverantwortlich sei, fassen:

"Diese These vereinigt nicht nur elegant die Massenverachtung der Totalitarismustheorie mit der moralischen Reinheit emigrierter bürgerlicher Intellektueller, sie ist auch darauf angelegt, den politischen und sozialen Charakter und die Entstehung des Faschismus zu vernebeln."

Wenn Walser Auschwitz als Stachel in der "Schicksalsgenossenschaft deutsche Nation" (die er endlich wieder richtig fühlen will) stört, er deshalb einen Schlußstrich will und "Ehrl-König" haßt (der mit seinem abstrakten Intellekt und seinem partikularen Machtstreben das völkische Empfinden zerstört) dann läuft das parallel zum Wunsch der Antifa-AG nach dem nicht-nazistischen Proletariat, dem guten Opa. Drohte ein neuer Faschismus, würde es, laut Antifa-AG

"[...] allmählich Zeit, Opas Kalaschnikow aus dem Erddepot auszugraben und sich auf eine neue Resistance vorzubereiten."

Wieso haben sie diese Assoziationen? Der deutsche Opa als bewaffneter Partisan? Die Antifa-AG ist gewiß nicht völkisch, aber ihr gutes Kollektiv, das "internationale Proletariat" (und als Teil dessen das deutsche), zu dem sich ihre Mitglieder als zugehörig zu halluzinieren scheinen, hat sie auch.

Daher das Problem mit der These einer breiten Verankerung des Antisemitismus als einer Ideologie, die der bürgerlichen Gesellschaft inhärent ist, sie "erklärt" und der Rebellion gegen das von deren unverstandener ökonomischer Struktur erzeugte Leiden ein konkretes Ziel, einen personalisierten Schuldigen zuführt: den (jüdischen) raffenden Kapitalisten (3). Diese Interpretation ließe auch das Proletariat nicht unbehelligt. Gerade antikapitalistischer Widerstand manifestiert sich leicht als antisemitischer, auch in der deutschen Arbeiterbewegung (4). Diesen Verdacht muß die Antifa-Ag abwehren. Schließlich will man(n) sich doch als tapferer deutscher Arbeiterkämpfer sehen. Die Verleugnung des Antisemitismus und Betonung des heroischen Widerstandes der Arbeiterbewegung ist natürlich nix neues, sie zieht sich durch die Geschichtsschreibung der DDR zum NS ebenso wie durch die Antiimp-Bewegung der 70er und 80er Jahre.

Der NS reduziert sich bei der Antifa-AG – in konsequenter Dimitrow-Manier (5) – auf eine besonders üble Finte des Kapitals.

"[D]ie Verantwortung des deutschen Kapitals (Deutsche und Dresdener Bank, IG Farben, Stinnes, Krupp usw.), seine Unterstützung für die Machtergreifung der Nazis und sein Profitieren von deren Politik (Zerschlagung der Arbeiterbewegung, Aufrüstung, Zwangsarbeiter, "Arisierung" jüdischen Eigentums) [...]"

seien der Kern des deutschen Faschismus. Das "Kapital", die bösen Konzerne sind schuld. Diese Sicht, die Kapitalismus nicht als gesellschaftliche Totalität begreift, abstrakten Wertgesetzen folgend, sondern als Machenschaft finsterer Kapitalisten gegen das vielleicht mal naive aber immer unschuldige Proletariat, ist strukturell selbst antisemitisch. Die These von der Verbreitung antisemitischer Denkstile in der Arbeiterbewegung wird widerlegt mit einer strukturell antisemitischen Kapitalismusanalyse. Die Widerlegung ist deckungsgleich mit dem, was widerlegt werden soll.

NS = Kapital vs. Proletariat ist das produzierte Bild, Antisemitismus wahrscheinlich nur ein Propagandatrick "des Kapitals". So brauchen "wir" kein schlechtes Gewissen zu haben und ist ">den Antisemitismus in den eigenen Reihen< zu suchen", ein unnützes "moralisierendes" "sich geißeln" und geht an den Realitäten vorbei. Selbstkritik - Nein Danke! Der Feind steht auf der anderen Seite der Barrikade! Welch einfache Welt!

Die Massenbeteiligung an der Judenverfolgung und –vernichtung ist bloß eine "Theorie, die die Westalliierten nach 1945 aufbrachten" um die deutschen Eliten zu entlasten und

"[...] um eben dieses Kapital [das ja eigentlich alleinig schuld am NS sei (Anm. d.V.)] genau wie alte Nazis, Wehrmachts- und SS-Offiziere für die Restauration bürgerlicher Herrschaft in Deutschland und ihren Feldzug gegen das sozialistische Lager erneut einzuspannen."

Kapital, West-Alliierte, Alt-Nazis – alles ein – jüdisch konnotierter - Brei. Diejenigen, die die Rolle des UnternehmerInnen und ArbeiterInnen vereinenden Antisemitismus im NS betonen, die ihren Finger in die deutsche/proletarische Wunde Auschwitz legen, tun dies also heuchlerisch und sind dem Wesen nach sogar dieselben, die den NS getragen haben.

Dies ist sekundärer Antisemitismus. Ein Antisemitismus, der den JüdInnen den Zwang zur Erinnerung an Auschwitz übelnimmt und sie als die Profiteure der Shoah sieht, diese zynisch und meinungssteuernd ausnutzend. (vgl. das strukturell gleiche Bild in den "Holocaust-Industrie" Thesen von Finkelstein) Nur konsequent ist es dann, JüdInnen selbst faschistisches Verhalten zuzuschreiben, wie dies in der Wahrnehmung der israelischen Politik auch geschieht. Zu dem Brei Kapital, West-Alliierte, Alt-Nazis wird noch Israel hinzugetan.

Vor diesem Hintergrund ist die Antifa-Ag-Bezeichnung Israels als "Rassisten- und Kolonialistenregime" zu sehen. Das drängt zudem noch den letzten Rest vom schmutzigen Fleck Auschwitz fort: Israel, d.h. in diesem Kontext die JüdInnen sind ja eigentlich viel schlimmer als "wir", das antifaschistische deutsche Proletariat.

Hier schlüpft dann aus einer falschen Faschismusanalyse, die auf einer falschen, strukturell antisemitischen Kapitalismus-Analyse aufbaut, im letzten Schritt auch inhaltlich wieder der Antisemitismus aus.

Doch diesen zu formulieren überläßt die Antifa-AG lieber anderen. In den von ihr übersetzten Texten italienischer Gruppen und Interviews mit palästinensischen Funktionären auf ihrer Homepage (6) ist Israel = Faschismus und die palästinensischen TerroristInnen sind mit antifaschistischen PartisanInnen im 2. Weltkrieg assoziiert (7). (Vor diesem Hintergrund ist es absurd, wenn sich die Antifa-Ag über die "inflationäre Verwendung des Faschismus-Begriffs" beklagt.) Und wie die Karikatur von Khalil Bendib, deren Beschreibung diesen Artikel eröffnete, zeigt, passen zu diesem Israelbild die ganz klassischen antisemitischen Stereotype.

Wenn die Antifa-Ag nun den Antisemitismus-Vorwurf erbost von sich weist und sich durch Berufung auf israelische KritikerInnen der israelischen Regierung legitimieren will, so zeigt das nur ihr Unverständnis. Der Hintergrund, vor dem etwas gesagt wird, der Kontext aus dem der/die SprecherIn stammt und die (unbewußte) Motivation aus der heraus es gesagt wird, führen zu verschiedenen Aussagen, selbst wenn die Worte fast dieselben sind. Es schwingt Unterschiedliches mit, es laufen verschiedene Filme im Hintergrund. Was nicht heißt, als DeutscheR auf die Auseinandersetzung zu verzichten. Ein solidarischer Bezug auf ein Israel als Zufluchtsort der vom Antisemitismus Verfolgten sollte zwar selbstverständlich sein, muß aber weder die ungebrochene Zustimmung zu allen Entscheidungen jeglicher israelischer Regierung noch den Verzicht auf antinationalen Widerspruch gegenüber nationalen Identitätsmythen beinhalten – sehr wohl allerdings eine gewisse selbstkritische Sensibilität für die eigene Position, aus der gesprochen wird, und die Wirkung, die diese Kritik im deutschen Diskurs entfalten würde.

Bleibt abschließend nur noch festzuhalten, daß es eine Frechheit ist, von der "moralischen Reinheit emigrierter bürgerlicher Intellektueller" zu sprechen und eine unerträgliche Flapsigkeit, einen Satz zu schreiben wie:

"Für die Antinationalen und ihre Fans reduziert sich Faschismus offensichtlich auf Judenvernichtung."

(Alle Zitate sind dem besprochenen Text der Antifa-AG entnommen. Zum Weiterlesen empfohlen: www.stud.uni-hannover.de/gruppen/fs-sowi/hauryneu.htm)

Anti-Expo-AG

 

Fußnoten:

1: Fragezeichen, Nr. 9, Juli 2002

2: Vorläufiges Fazit, Nr. 4, SoSe 2002

3: vgl. Claussen, Vom Judenhass zum Antisemitismus, in: Ders., Aspekte der Alltagsreligion, Frankfurt 2000

4: vgl. z. B. Leuschen-Seppel, Sozialdemokratie und Antisemitismus im deutschen Kaiserreich, Bonn 1978 oder Heid, Sozialistischer Internationalismus, sozialistischer Zionismus und sozialistischer Antisemitismus, in: Alter/Bärsch/Berghoff (Hg.), Die Konstruktion der Nation gegen die Juden, München 1999

5: Für Dimitrow ist der deutsche Faschismus die "offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals." (zit. nach: Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Israel, Bonn 1997)

6: http://kickme.to/antifa-uni-hannover

7: "Der Widerstand der Palästinenser mit seinen Aktionen unterscheidet sich nicht von dem der Partisanen in Italien (und nicht nur da). Sie kämpften gegen die Nazi-Besatzung und ihren treuen faschistischen Kollaborateur. Er unterscheidet sich nicht von all denjenigen, die sich verteidigen und für ihre Befreiung kämpfen." Centro Popolare Autogestito (CPA) Firenze – Sud (Selbstverwaltetes Volkszentrum Florenz - Süd)





Als Reaktion auf die Kritik an unserem Text und auf Grund des zwischenzeitlich erfolgten Rausschmisses der Antifa-AG aus dem AStA veröffentlichten wir im Januar 2004 im fragezeichen die folgenden beiden Texte.

Der zweite Text "Wer gegen wen?" erschien außerdem in der vers beaux temps nr. 9 vom Mai 2004


das fragezeichen 14, Januar 2004

Antifa AG: Rauswurf und Antisemitismus – Zum Antisemitismusvorwurf gegen die Antifa AG an der Uni und dem Entzug der Unterstützung durch die Fachschaften

Inzwischen ist schon wieder viel Zeit ins Land gegangen, seit die Antifa AG an der Uni per Beschluss der FSR-VV auf Grund des Vorwurfs des Antisemitismus aus dem AStA geworfen und ihr die finanzielle Unterstützung entzogen worden ist. Trotzdem möchten wir uns noch einmal dazu äußern. Zum einen wollen wir im ersten Text unsere Kritik an der Vorgehensweise, mit der dieser Rauswurf in die Wege geleitet wurde, los werden. Zum anderen wollen wir im zweiten Text Bezug nehmen auf die von vielen Seiten - nicht zuletzt von der Antifa AG selbst - geäußerte Kritik an unserem Text "'Opas Kalaschnikow'???". Zudem werden wir noch einmal auf den Vorwurf des Antisemitismus gegen die Antifa AG eingehen. Dies scheint uns angesichts der Tatsache, dass zu der ganzen Auseinandersetzung immer wieder Texte und auch Aktionen produziert werden, nach wie vor aktuell, auch wenn wir den Text schon längere Zeit in der Schublade liegen haben.



Stellungnahme der Anti-Expo-AG

zum Beschluss der FSR-VV, der Antifa-AG jedwede Unterstützung zu entziehen

Am 09.07.03 beschloss die FSR-VV mehrheitlich, der Antifa-AG jedwede Unterstützung zu entziehen. Die Entscheidung an und für sich steht dem Gremium sicher zu, allerdings kritisieren wir die Art und Weise, wie sie zustande gekommen ist.

Zum einen kann es nicht sein, dass ein nur geringfügig veränderter Antrag so oft gestellt wird, bis das versammelte Plenum, das ihm zuvor nie zustimmen konnte, ihm endlich zustimmt. Und zum anderen kann es nicht sein, dass eine solche Entscheidung schließlich ohne Debatte getroffen wird. Zu vermuten steht, dass beide Punkte miteinander zusammenhängen: Durch schlichte "Wiedervorlage" werden Anträge und Argumentationen sicher nicht besser. Dies ist aber keine Legitimation für das entscheidende Gremium, sich dem zu entziehen, indem jeder Versuch einer inhaltlichen Auseinandersetzung unterbunden und der Antrag einfach durchgewunken wird. Das ist ein in hohem Maße unpolitisches und uncouragiertes Verhalten.

Da die Antragsteller sich unseres Wissens nicht über die Debattenunfreudigkeit der VV beschwert haben, liegt nahe, dass es ihnen auch ziemlich egal ist, wie es zum "Wunsch"ergebnis gekommen ist. Uns erschließt sich jedenfalls auf Basis des Antrags der Fachschaft Sowi in keiner Weise, wie sich die Entscheidung der FSR-VV begründet.

Die Anti-Expo-AG ist nun nicht gerade verdächtig, der Antifa-AG inhaltlich kritiklos gegenüber zu stehen. Auch wir haben uns gegen ihre Argumentation und Schlussfolgerungen geäußert und tun dies in unseren zweiten Text (s.u.) ein weiteres Mal. Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle auf die Würdigung einiger als formal bezeichneten Argumentationen.

• Es ist einfach Quatsch, dass die Stellenkonstellation der Antifa-AG ein Versuch gewesen ist, die FSR-VV zu umgehen. Das Vorhandensein von zwei "kleinen" SB-Stellen ist historisch gewachsen (was ja nicht heißt, dass das ein nicht zu ändernder Zustand sein müsste und unseres Wissens nach hat sich auch die Antifa-AG entsprechend geäußert).

• Und was da über die Wahrnehmung des politischen Mandats und seine "öffentliche Erfüllung"(?) geschrieben steht, hat mit der eigentlichen Materie nun wahrlich nichts zu tun. Dahinter verbirgt sich doch wohl eher die Auffassung der Fachschaft Sowi, dass man für sein Geld auch etwas geboten bekommen möchte. Nicht anders ist der später formulierte Auflagenkatalog (Mitmach-Aktionen und -Strukturen, formale Berichterstattungen, permanente Rückbindung an die Studentenschaft oder doch wohl eher an die Gremien) zu verstehen. Diese Haltung vergisst, dass es sich bei dieser Art der Finanzierung um autonome politische Gruppen handelt und nicht um im Auftrag "politisch" arbeitende Gruppen. Und diese Haltung vergisst obendrein, dass es bisher immer ein extrem mühseliges Brot war, eine politische Auseinandersetzung mit der FSR-VV bzw. dem FSAK zu führen. Das Desinteresse war schlicht überwältigend.

Insgesamt haben wir den Eindruck gewonnen, die Fachschaft Sowi möchte den politischen Raum Universität eigentlich in eine Institution der Erwachsenenbildung verwandeln. Nicht anders vermögen wir den vorgeschlagenen Kriterienkatalog und hier insbesondere den Punkt drei zu verstehen. Wer da schreibt "Politische und politisierende Arbeit zeichnet sich unseres Erachtens dadurch aus, einen Zusammenhang zwischen unserem universitären Alltag und Gesellschaftspolitik herzustellen und damit dauerhaft bewusstseinsbildend zu wirken", nimmt weder Studierende noch politische Arbeit ernst, sondern salbadert dumm daher. Wir befürchten übrigens, dass, müssten auch die Fachschaften ihre Arbeit an diesem zitierten Kriterium messen lassen (und unseres Wissens nach werden ja auch sie durch Geld der Verfassten Studentenschaft alimentiert), etliche nicht auf Versetzung ins nächste Semester hoffen dürften.

 

Wer gegen wen?

Anmerkungen zum Antisemitismusvorwurf gegen die Antifa AG an der Uni

Im Folgenden wollen wir unsere Kritik an der Antifa AG, die wir bereits (vor langer Zeit) in dem Text "‚Opas Kalaschnikow'???" geäußert haben, präzisieren und einige selbstkritische Anmerkungen machen. Wir denken mittlerweile, dass uns zu Recht vorgeworfen worden ist, der Antifa AG Theorien unterstellt zu haben, die sie so nicht vertritt. So kann man nicht davon ausgehen, dass die Antifa AG in "Dimitrow-Manier" einen verschwörerischen Klüngel des deutschen Großkapitals als "Kern des deutschen Faschismus" betrachtet. Sie hat ja daraufhin ihre Faschismustheorie in ihrem Antwortartikel in Kürze dargelegt, bezeichnender Weise allerdings dezent den Antisemitismus als konstituierendes Element des Nationalsozialismus außer Acht gelassen.

Auch kann man uns vorwerfen, dass wir zu Beginn unseres Textes ankündigen, uns nicht mit dem Israel-Palästina-Konflikt auseinandersetzen zu wollen, dies aber am Ende doch kurz anschneiden. Wir müssen hier selbstkritisch feststellen, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt in der Gruppe kaum mit einer Position dazu auseinander gesetzt haben. So kam mit der Formulierung "ein solidarischer Bezug auf ein Israel als Zufluchtsort der von Antisemitismus Verfolgten sollte zwar selbstverständlich sein" eine sehr vage Position zum Ausdruck, die etlichen Interpretationsspielraum gelassen hat. Da der gesamte Text aus dem Bedürfnis dem Artikel "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik" der Antifa AG schnell etwas zu entgegnen, entstanden ist, haben wir uns für solche Diskussionen nicht ausreichend Zeit genommen.

Nichts desto trotz halten wir an wesentlichen Elementen unserer Kritik fest: Wie die Antifa AG in ihrer Erwiderung mit dem Titel "'Uns interessieren hier weniger die realen Vorgänge'!" bestätigt, ist bei ihnen der Bezug auf ein "Proletariat" als Träger gesellschaftlicher Emanzipation entscheidend. Dies wird problematisch, wenn versucht wird, ein homogenes Kollektiv zu konstruieren, in dem sich keine Widersprüche fänden und an dem sich somit auch jegliche Kritik verbiete. Wir wollen sicher nicht den kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus schmälern, aber ein widerspruchsfreies, monolithisches Kollektiv hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Die Tatsache, dass Antisemitismus auch in der ArbeiterInnenschaft (und auch unter KommunistInnen) stark verbreitet war, wird bei solch undifferenzierter Betrachtung ignoriert.

Auf der einen Seite steht bei der Antifa AG das idealisierte, homogene Kollektiv, das Proletariat, das in keiner Weise in diese Herrschaftsverhältnisse verstrickt zu sein scheint, das auch in keiner Weise davon zu profitieren scheint. Dieses Kollektiv scheint die Verhältnisse weder zu reproduzieren, noch selber in irgendeiner Form Unterdrückung auszuüben. Bei einigen anderen gerät dieses Kollektiv schnell auch mal zum "Volk".

Auf der anderen Seite werden Großkapitalisten als Hauptverantwortliche für den Nationalsozialismus benannt. Das ist zwar richtig und auch wichtig, um nicht in Beliebigkeit zu versinken, führt aber in dieser Gegenüberstellung dazu, dass zwei Kollektive gegenüber gestellt werden, die scheinbar keine Berührungspunkte besitzen. Genau hier beginnt die Anschlussfähigkeit dieser Art der Kapitalismuskritik für Antisemitismus, der einen verschwörerischen Klüngel von Juden als "raffende" Finanzkapitalisten am Werk sieht, der das "Volk", seiner "Natur" folgend, aussaugt. Wie gesagt, das ist nicht die Sichtweise der Antifa AG, aber mit dem manichäischen Bild der scheinbar klaren Verhältnisse ist die Anschlussfähigkeit nach rechts deutlich gegeben.

Die Antifa AG hält es für "Gutmenschentum" wenn wir den Anspruch haben, uns mit der Durchdringung und Tradierung von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die Feststellung, dass der Antisemitismus während der Naziherrschaft von einem Großteil der Bevölkerung in Deutschland - und eben auch in der ArbeiterInnenschaft - getragen wurde, bezeichnet die Antifa AG entsprechend als "Kollektivschuld-These". Vor dem Hintergrund des idealisierten, homogenen Kollektivs findet eine Auseinandersetzung mit der Verstrickung der ArbeiterInnenschaft in Herrschaftsstrukturen nicht statt. Wer Herrschaftsverhältnisse überwinden will, muss aber auch die eigene, in der Regel antisemitisch, rassistisch und patriarchal verlaufende Sozialisation reflektieren. Solch eine selbstkritische Auseinandersetzung hat nichts mit kleinbürgerlichem Streben, ein "guter" Mensch zu werden, zu tun.

"Gut" und "böse" sind Kategorien, die für Gesellschaftsanalysen nicht taugen. Es geht darum, Herrschaftsverhältnisse zu verstehen, als Voraussetzung, sie zu bekämpfen und v.a. auch, um sie nicht selbst ständig zu reproduzieren.

Das soll nicht heißen, dass letzten Endes alles beliebig ist, da ja alle irgendwie "schuld" sind, es bedeutet einfach, dass ständig die eigene Rolle reflektiert werden muss. Wir verwerfen sicher nicht den Kampf gegen das Kapitalverhältnis. Auch wir halten ihn für einen wesentlichen Bestandteil zur Überwindung der Unterdrückungsverhältnisse. Kapitalismus ist aber nicht das einzige Herrschaftsverhältnis. Da halten wir es ganz mit der Triple-Oppression-Theorie, die Rassismus (und hier ordnen wir Antisemitismus mit ein, auch wenn es da unterschiedliche Ansichten gibt) und Patriarchat als zwei der drei wesentlichen Unterdrückungsverhältnisse sieht, die alle drei miteinander verwoben sind und keinesfalls nebeneinander her bestehen. Entsprechend müssen sie bei Auseinandersetzungen um ihre Überwindung gleichwertig berücksichtigt werden.

Unsere Kritik am Cartoon, den die Antifa AG zur Illustration des Textes "'Solidarität mit Israel'..." verwendet hat, halten wir selbstverständlich aufrecht. Die Karikatur arbeitet mit Biologismen als Mittel der Diffamierung. Ob es sich dabei nun um Ratten- oder Mäuseschwänze handelt, ist nebensächlich. Grundsätzlich sind Biologismen als Mittel der Diffamierung eine fragwürdige Sache, da sie dem (politischen) Gegner das Menschsein und damit verbundene Existenzrechte abspricht. Vor dem Hintergrund, dass Jüdinnen und Juden insbesondere in Deutschland mindestens schon seit Aufkommen des modernen Antisemitismus im 19. Jahrhunderten als Parasiten (wie z.B. Mäuse oder Ratten) im "deutschen Volkskörper" dargestellt wurden, ist die Verwendung eines solchen Biologismus wie in dem besagten Cartoon eindeutig antisemitisch. Da hilft auch eine Etikettierung des Karikaturisten als "links" nichts, denn dies sagt über Antisemitismus rein gar nichts aus. Uns in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, die Assoziierung antisemitischer Stereotype mit dem Cartoon entspränge unserer eigenen antisemitschen Phantasie, ist nicht nur perfide, sondern macht die Unfähigkeit zur Selbstkritik deutlich.

Bezogen auf den Text "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik" müssen wir den Antisemitismusvorwurf an die Antifa AG differenzieren: Ihre Kapitalismuskritik ist als solche nicht antisemitisch, der Cartoon bleibt es jedoch auf alle Fälle. Dass dessen Verwendung kein "Ausrutscher" war oder vielleicht, wie die Antifa AG behauptet, nur ein "Fehler" (schon das deutet auf eine dahinter stehende Strategie) wird deutlich, wenn man sich mit den Veröffentlichungen auf der homepage der Antifa AG beschäftigt (siehe: www.kickme.to/antifa-uni-hannover).

Klickt man auf die Seite "Imperialismus und Krieg" wird man zuallererst von einer palästinensischen Flagge begrüßt. Weiter kann man dann z.B. auf dieser Seite ein Interview vom 10.6.03 mit Hamas-Sprecher Abdel Aziz Rantisi finden. Die Antifa AG verharmlost die Hamas dort als "kleinbürgerlich-antiimperialistische und teilweise linkspopulistische" Organisation. Dass sie zahlreiche Selbstmordattentate verübt hat, um gezielt Jüdinnen und Juden zu töten, dürfte auch der Antifa AG bekannt sein.

Sieht man sich weiter auf der homepage um, so kann man auf der Seite "Aktuelles" "18 Fragen zur Positionierung im Palästina-Konflikt" finden. Nachdem die Antifa AG eingangs noch einmal ein Bekenntnis zu ihrem manichäischen Weltbild abgibt und sich für eine eindeutige Positionierung in diesem Konflikt auf Seiten der PalästinenserInnen ausspricht, versucht sie in den folgenden 18 Suggestivfragen die Hamas in Schutz zu nehmen. Zur Veranschaulichung die ersten beiden Fragen: "Sind die Palästinenser oder die Hamas für Auschwitz, Treblinka, Bergen Belsen ... verantwortlich? Haben die Palästinenser bzw. die Hamas bei der Gründung des Staates Palästina 750000 Israelis vertrieben?"

Dass die Hamas dabei anscheinend deckungsgleich mit den "Palästinensern" ist, soll wahrscheinlich die Legitimität ihres Vertretungsanspruch für die PalästinenserInnen unterstreichen.

Die Politik der Hamas, die als wesentlichen Bestandteil Selbstmordattentate beinhaltet, ist allein schon wegen ihres religiösen Charakters sowie ihrer Brutalität und Wahllosigkeit des Mordens zutiefst reaktionär, aber v.a. antisemitisch. Schließlich haben sowohl die Hamas, Hisbollah als auch die Al-Aksa-Brigaden der Fatah, laut ihren politischen Zielsetzungen die Auslöschung Israels im Blick. Nebenbei sei daran erinnert, dass es zwischen diesen Gruppierungen und der PLO bekanntlich ebenfalls Verflechtungen gibt.

Unseres Erachtens dürfte allein schon aus diesen Beispielen klar geworden sein, dass der Vorwurf des Antisemitismus an die Antifa AG überaus gerechtfertigt ist. Leider haben wir uns sehr spät etwas näher mit weiteren Veröffentlichungen der Antifa AG zum Nahost-Konflikt beschäftigt, sonst hätten wir unsere Kritik sicher bereits in unseren Text "'Opas Kalaschnikow'???" deutlicher zum Ausdruck gebracht. Auch wenn Kritik an unserem Text berechtigt war, so ist jedoch bedenklich, mit welchem Reflex einige Gruppen aus der linken Szene darauf reagiert haben und die Antifa AG pauschal gegen den Antisemitismusvorwurf in Schutz genommen haben.

Anti-EXPO-AG, 16.01.04